Unter Kleingärtnern

in Travemünde

Das „Betreten der Anlage“ geschehe nur auf „eigene Gefahr“ und parken wird höchstens auf entsprechend gekennzeichneten Flächen erlaubt und, natürlich, nur mit einem sichtbaren sowie gültigen Parkausweis.
Und Hunde sind selbstverständlich anzuleinen sowie das Rad- und Moped fahren verboten. Denn: „Wir sind für Ruhe!“.
Besucher, die sich von den trotz dieser Hinweisschildern nicht abschrecken lassen, finden sich in einer natürlichen, wenn auch streng geometrisch angeordneten Idylle wieder.
Zwischen Golf-Ressort und Neubausiedlung, wohin sich Touristen und zufällige Spaziergänger kaum verlaufen und verborgen hinter hohen, fast schon militärisch-streng getrimmten Hecken verbirgt sich jene Welt, vor der sich rotgrüne Politiker und die meisten ihrer Wähler fürchten.
Die Zugänge dieser Anlage wurden bereits vor dem letzten Weltkrieg durch schmale Sandwege verbunden, die schnurgerade durch das „parzellierte“ Gelände führen. Links und rechts jener Wege, verborgen hinter schmaleren Hecken und Zäunen, die meisten aus deutschem Maschendraht gefertigt, finden sich die persönlichen Refugien hiesiger Kleingärtner, nämlich besagte Parazellen, die aus der Luft unverkennbar als urdeutsches Territorium zu identifizieren sind.
Anderorts sterben Kleingartenvereine eher aus, da werden diese bürgerlichen Schollen häufig zu attraktivem Bauland umgestaltet. Auch in Lübeck stehen solche Flächen eher öfter zur Disposition als im Mittelpunkt angeregter Diskussionen. In Travemünde wird die Fahne des naturverbundenen Bürgers jedoch hochgehalten, schon aus Trotz wegen diesen spekulierenden Lokalpolitikern, die man dort nicht mehr versteht und die jene Dinge, denen auch nur eine gefestigte Bürgerlichkeit anhaftet, eher heute als morgen verscherbeln wollen.


Außerdem: Travemünde. Nicht zu vergessen!
„Pachtverträge sind hier äußerst begehrt, selbst Hamburger stellen sich hier an“, so Herbert, der sich als einer der Vorstände vorstellt. „Ordentlich gewählt“, selbstverständlich.
Worauf es als Kleingärtner ankommt? Man sollte sich für regelmäßige Gartenarbeit nicht zu fein sein und auch den „Gemeinschaftssinn“ nicht vernachlässigen.
„Dann gibt es keine Probleme, da kann jeder eine gute Zeit haben.“
Neben den historischen Fußwegen hat so also auch noch die „Gartenvolksgemeinschaft“ den Krieg überlebt.
Die Idee des sogenannten „Schrebergartens“ ist jedoch wesentlich älter.
Aufgrund des sprunghaften Explosion der Bevölkerung am Anfang des 19.Jahrhunderts wurde die Anlage von Gartenparazellen für die Ärmeren eine soziale Maßnahme, die begeistert angenommen wurde.
Irrtümlich wurde angenommen, dass der Leipziger Arzt Moritz Schreber Erfinder dieser Gartenanlagen gewesen sei; er war jedoch nur Namensgeber. Allerdings entstanden 1814 an der Schlei die ersten Gärten dieser Art, unter dem deutschen „Dach“ einer ordentlichen Vereinssatzung. Eine Entwicklung, die durch historische Gartenlauben und Anlagen vom „Deutschen Kleingarten-Museum“ in Leipzig dokumentiert wird und ab einem gewissen Lebensalter als nicht uninteressant beachtet wird.
Die Idee einer naturverbundenen Freizeit also, die offenbar heute ein Nischendasein fristet, vermutlich nicht ganz ohne Grund und Recht.
Obwohl angeblich hier nämlich fast alle Parazellen verpachtet sein sollen, sind auf diesen Vorkriegswegen nur wenige Menschen zu sehen. Lediglich einige ältere Herrschaften im Rentenalter die sich, bepackt mit Tüten, Taschen und sonstigen bunten Behältnissen, von den Parkflächen zu ihren Parzellen schleppen.
Man lässt sich als Beobachter während dessen misstrauisch mustern; hier hat der Besucher, also der „befugte“ Gast, als Erster zu grüßen.
Ansonsten lassen sich die Kleingärtner kaum blicken. Mit viel Glück sieht man vereinzelt welche, die mit elektrischen oder Treibstoff angetriebenen Mähern Rasen mähen, mittels an Stangen geführten Werkzeugen Unkraut jäten oder mithilfe kleinere Instrumente Pflanzen pflegen.
Selbstverständlich gibt es für jede Maßnahme Paragraphen, die „mehr oder weniger genau genommen“ werden. Regeln und Richtlinien, die zum Teil noch aus Zeiten des deutschen Kaisers stammen sollen, an dem sich selbst die Ältesten Gartenfreunde beim besten Willen und Nachdenken nicht mehr erinnern können.
Mit dem Prinzip der landwirtschaftlichen Eigennutzung nimmt es dabei aber kaum noch irgendein Kleingartenverein in Deutschland so genau.
Mit einer angepflanzten Reihe Kartoffeln oder Erdbeeren wird jenen Gesetzen bereits genüge getan, die dabei zumindest bereits aus der Nachkriegszeit stammen sollen und die eine effektive Selbstversorgung der Kleingärtner in Zeiten der Mangel- und Misswirtschaft regelten.
Anders sieht es hingegen mit der Höhe von Hecken und Sträucher aus.
Dafür gelten besondere Vorschriften, die vom Vorstand des Kleingartenvereins penibel und regelmäßig überprüft werden.
So soll verhindert werden, dass eine kreativ-gestalterische Freiheit einer „Ästhetik der Allgemeinheit“ stört, „schließlich kann man auch anderswo nicht machen, was man will!“
Ein moraliner Masochismus, der von vielen bereits für ausgestorben gehalten wurde.
Was natürlich gewissen Ärger provoziert. Ärger, der manchmal Jahre gärt und sich durchaus nach einem schweißgetränkten Sommertag entladen könnte. Erst vor kurzem erschoss ein 61jähriger Kleingärtner seinen Gartennachbar, weil dieser sich von seinem Rasenmäher provoziert fühlte.
Einige Jahre zuvor erschlug ein anderer Rentner sogar gleich drei Kleingärtner auf einen Streich, mit Hilfe eines deutschen Eichenknüppels. Der Mann lauerte seinen Opfern in einem Gebüsch auf und überraschte sie tödlich, als diese Gartenabfälle unsachgemäß entsorgten.
Fälle, die mit dem Travemünder Kleingartenverein natürlich nicht im Geringsten etwas zu tun haben.

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