Zu süss

Eigentlich esse ich ja überhaupt nichts süsses. Aber die Grundnahrungsmittel stecken aus so vielen Anteilen von Industriezucker, dass sind sich die meisten gar nicht bewusst. Ich auch nicht, bis zur „Ochsentour“.

Jedenfalls kribbeln mir seit einigen Monaten die Füsse; mal mehr, mal weniger. Und irgendwann, vor einigen Wochen, konnte ich auf dem rechten Auge nicht mehr sehen. Da war so ein Schatten, so eine komische, eigentlich nur nebensächliche Trübung im Blick. Eigentlich zögerte ich, mit sowas zum Arzt zu gehen, bewegte mich dann aber doch instinktiv in die Schlange vor der Anmeldung beim nächstgelegenen Augenarzt.
Das könne eigentlich nur ein Hirntumor sein, meinte dann der Assistenzarzt lapidar, bei der ersten, hah, „Augenscheinnahme“. Beruhigend war, dass dieser Arzt eben erst „Assistent“ war und mir auch da mein Gefühl sagte, dass das nicht sein könne. War es dann auch nicht, nachdem noch der Augeninnendruck untersucht wurde.
In der Augenklinik unserer Uniklinik stand dann fest, dass hinter dem Auge dann ein Gefäss geplatzt sei, da mein Blut viel zu dickflüssig ist. Zu weiteren Abklärung dann Überweisung zum Hausarzt. Kurz nach der Entlassung auf dem Parkplatz dann der Rückruf der Augenklinik: Ein Diabetes-Arzt wünscht, dass ich bleibe, da ein Blutzuckerwert von über 400 festgestellt worden ist.

Dazu muss bemerkt werden, dass ich mich bis auf das leichte, kribbelnde Taubheitsgefühl in den Füssen und Beinen fantastisch fühlte. Die schnell ergoogelten typischen Symptome einer Diabeteserkrankung hatte ich nicht. Ich sah also nicht ein, im Krankenhaus zu bleiben, war ja fast schon weg.
Beim Hausarzt dann weitere Bluttest, dazu Stuhl- und Harnprobe, weitere Blutzuckeruntersuchungen. Hier dann immer noch Werte um 366, deshalb erneute Überweisung als überzuckerte „Notfall“ in die Klinik. In der Klinik dann weitere Blutuntersuchungen, schliesslich die Entscheidung der Ärztin, mit 366 kein Notfall zu sein. Also wieder zum Hausarzt, dann weiter mit der Überweisung zum Diabetologen. Dann endlich im Wartezimmer der diabetischen Schwerpunktpraxis.
Jetzt setze ich mir erstmal täglich Insulin-Einheiten und steche mir dreimal am Tag in die Finger, um meine Blutzuckerwerte zu bestimmen.
Festgestellt wurde ein Diabetes Typ-1, also eine genetische Vorveranlagung. Ich produzierte nur eine sehr geringe Menge an Insulin, was aber bisher keine (merklichen) Probleme machte – bis zur Corona-Schutzimpfung. Die Impfung erfordert nämlich einen höheren Bedarf an Insulin. Da dieses fehlt, entsteht dann eine akute Diabetes.

Nach der Erstdiagnose „Hirntumor“ ist diese Diabetes für mich jedoch eine Enddiagnose, die ich demütig als „Geschenk“ annehme.


Und ich weiß jetzt auch wieder, was Ihr meint: das ganze Abenteuer hätte ich mir sparen können, wenn ich auf den Arzt in der Augenklinik gehört hätte und im Krankenhaus geblieben wäre. Und Ihr habt Recht.
Und jetzt gehe ich Zuckerjunge mich wieder stechen.


Links zum Thema Diabetes-Typ-1 und die Corona-Impfung