Worüber Woody noch sprechen wollte

Woody Allen – Ganz nebenbei

Nicht das erste Buch von Woody Allen, aber sicher das umstrittenste. Allen, ein sowohl legendärer New Yorker Regisseur, Schauspieler, Comedian und Jazzmusiker, machte in den letzten beiden Jahrzehnte weniger durch seine Filme, vielmehr durch sein Privatleben auf sich aufmerksam.
Die Beziehung zu seiner und Mia Farrows Adoptivtochter Soon-Yi Previn sorgte bereits seit Anfang der Neunzigerjahre für mehr, als nur einen Rosenkrieg. Heftige Anschuldigungen von Mia Farrow mündeten nicht nur in einen Sorgerechtsstreit, sie mündeten in handfeste Mißbrauchsvorwürfen. Allens Fans weltweit reagierten entsetzt. Es folgen die üblichen Mechanismen der Vorverurteilung, nur wenige fragten sich, ob ihr Idol und Meister tatsächlich der übergriffige Tyrann ist, wie er von Mia Farrow dargestellt wurde.
Unter dem Titel „Ganz nebenbei“ sollte es entsprechende Antworten geben.

Doch fast wäre es dazu nicht gekommen. Totalitäre Aktivisten störten sich an der Vorstellung, dass ein Vorverurteilter seine Sicht der Dinge darstellt und gingen vor dem Hachete-Verlag, der Allens Buch in den USA publizieren wollte, auf die Barrikaden. Mit Erfolg, bis der Arcade-Verlag das Manuskript übernahm und unter dem Titel „Apropos of Nothing“ 2020 publizierte. Auch in Deutschland formierte sich prompt Protest, nachdem überraschend der Rowohlt-Verlag ankündigte, die deutsche Übersetzung publizieren zu wollen. Radikal-feministische Inquisitoren protestierten, an der Spitze die Soziologin Margarete Stokowski, paradoxerweise eine Tucholsky-Preisträgerin, die sich daran störten, dass Woody Allen Stellung bezieht.

Untertitelt ist das Buch als „Autobiografie“, aber so stimmt das nicht. Im Grunde genommen bestehen zwei Drittel des Buches aus Anekdoten und Erinnerungen aus Allens Leben, erst dann beschreibt er, wie die Dinge entwickelten. Dabei räumt er ein, dass es für Farrow sicher einer Ohrfeige gleichkam, für die gemeinsame Adoptivtochter verlassen zu werden. Sehr genau werden dann die Anschuldigungen, Andeutungen und, tja, Spielchen einer wütenden, verletzten Frau geschildert, die sich schliesslich zu den bekannten öffentlichen Vorwürfen entwickelten, die Woody Allen an einen Pranger fesselten, von dem sich ein Mann in diesen Zeiten nur schwer wieder lösen kann.
Natürlich sind diese Passagen einseitige Schilderungen – juristisch allerdings hatten sämtliche Anschuldigungen keinerlei Wert, es gibt keinen ernsthaften Hinweis auf einen Missbrauch Allens an seinen leiblichen oder adoptierten Kinder.
Dennoch kämpfte Mia Farrow erfolgreich um ein einseitiges Umgangsrecht.


An den Erfahrungen Woody Allens wird deutlich, wie leicht heute eine Vorverurteilung Prominenter zur hysterischen Hexenhatz und totalitärer Cancel-Culture führen kann, auch wenn es bei genauem Hinsehen doch nur um ein eigentlich trauriges Familiendrama handelt.

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