Wissenschaftler haben jetzt untersucht, unter welchen Kriterien Menschen über Leben und Tod entscheiden. Bei diesem drastischen Experiment ging es um die Frage, welche Fähigkeiten bei rationalen Entscheidungen eine Rolle spielen.
Stellt sich Empathie und Moral gegen Rationalität?
Wie reagieren Menschen, wenn eine Katastrophe zu verhindern ist? Sie versuchen, zumindest in den meisten Fällen, diese Katatrophe unter Einsatz ihres eigenen Lebens zu verhindern. Aber was macht man, wenn diese Katastrophe nur durch den Einsatz anderer Leben verhindert werden kann? Wer Verantwortung übernimmt, muß in letzter Konsequenz auch die Verantwortung für den Tod von Menschen übernehmen, wenn dadurch mehr Menschen gerettet werden.
Moralische Dilemma vs. Kosten-Nutzen-Rechnung
Die meisten Menschen, die sich in einem solchen moralischen Dilemma befinden, sind in solchen Situationen zu rationalen Entscheidungen unfähig. Rational, wenn auch traumatisch, sind auch solche unangenehmen ethischen Abwägungen – da in bestimmten Situationen notwendig und besser, als der Katastrophe zuzugucken. Psychologische Untersuchungen haben jedoch etwas anderes ergeben.
Emotionen erzeugen Skrupel
Denn auch in Situationen, deren Ausgang durch solche rationale Entscheidung offensichtlich wäre, würde die Mehrheit der Menschen eher nach alternativen Möglichkeiten suchen, als durch eine „mörderische“ Entscheidung die Katastrophe und den Tod mehrerer Menschen zu verhindern. Derartige Entscheidungen basieren nämlich auf „Emotionen“. Und die Emotionen, die mit dem Tod eines Menschen ausgelöst werden, sind (zumindest bei geistig-gesunden Menschen) eindeutig negativ – das beweisen auch Hirnscans. Emotionen sorgen für „Skrupel“.
Skrupel durch Emotionen
Immer, wenn Probanden der Studie mit moralischen Dilemmas konfrontiert wurden, konnte die Aktivierung von Hirnarealen gemessen werden, die für die Erzeugung und Produktion von Emotionen zuständig sind. Diese Areale befinden sich hauptsächlich im mittleren, unteren Stammhirn (VMPFC). Dieser Bereich liegt oberhalb der Augen und ist für die Steuerung emotionaler Reaktionen zuständig.
Kein Bauchgefühl
Die Forscherteams der University of Iowa haben zu dieser Studie auch eine Gruppe von hirngeschädigten Probanden untersucht. Bei hirngeschädigten Menschen sind grundsätzlich auch Persönlichkeitsveränderungen zu erkennen. Meist neigt dieser Personenkreis zu Gefühlsarmut und mangelnder Empathie und verfügen daher kaum über Mitleid, Scham oder Schuld. Sie neigen jedoch im Gegensatz zu gesunden Menschen überdurchschnittlich zu Wut, Risiko und haben einen Hang zu riskanten Finanzgeschäften und kriminellen Aktionen. Ihnen fehlt auch das sprichwörtliche „Bauchgefühl“ – logische Zusammenhänge können hingegen von ihnen meistens jedoch schneller und besser beurteilt werden, als von gesunden Menschen.
„Skrupellose“ können rationaler handeln
Konfrontiert mit Katastrophen-Situationen reagieren hirngeschädigte Personen wesentlich „skrupelloser“ als die gesunden Probanden. Die Tatsache, dass Menschen mit eingeschränktem VMPFC-Region wesentlich bedenkenloser Menschen „opfern“ würden, um andere zu retten, ist für die Forscher Beweis, dass für die rationale Entscheidungsfähigkeit das „Bauchgefühl“ wichtig ist, als bisher angenommen wurde. Rationalität sollte der künstlichen Intelligenz (KI) vorbehalten sein – Moral und Mitgefühl gehört ausschliesslich den Menschen.