Tarragona, Katalonien, Spanien

die Römer nannten sie Tarraco

Auf den ersten Blick wirkt Tarragona überhaupt nicht so geschichtsträchtig und interessant, so wie ich eigentlich erwartet hatte.

Schon von den Römern als Tarraco gegründet, wirkt diese Hauptstadt der gleichnamigen katalanischen Provinz auf mich eher enttäuschend trist traurig und alles andere als spannend. Der Geschichtspark mit den archäologischen Resten des Theaters und anderer Bauten aus der römischen Epoche war natürlich ausgerechnet heute, an einem Sonntag geschlossen. Dabei soll an diesem Ort doch soviel passiert sein.

Während des Bürgerkrieges und im Zweiten Weltkrieg war der Hafen Tarragonas ein wichtiger und strategisch bedeutender Knotenpunkt für Nachschub und strategische Deckung. Bis Januar 1939 stand die Stadt unter der Kontrolle der demokratischen, wenn auch eher linken, Zweiten Spanischen Republik, fiel dann aber während der Katalonien-Offensive an die faschistischen Truppen Francos.

Ganz in der Nähe fand 1938 die berühmte Schlacht am Ebro statt, die größte und blutigste Schlacht, die durch Hemingway unvergessen blieb. Der Schriftsteller und der Fluss verband seit einer denkwürdigen Bootsfahrt ein ganz eigenes Schicksal. Eine Grenzerfahrung, die Hemingway später in seinem Roman „Wem die Stunde schlägt“ verarbeitete.
Aus dem spanischen Bürgerkrieg sollen angeblich hier noch sehr viele Spuren zu sehen sein, doch davon entdecke ich nichts, ich habe auch keine Zeit, mich hier lange aufzuhalten.
Ehrlich gesagt bedauere ich dies auch nicht.

Fassade eines Tattoosalons mit dem Namen 'Zion Tattoo', umgeben von Graffiti auf dem Rolltor.
Graffiti über Rolladen eines leeren Ladenlokals in Tarragona, Spanien.

Oben auf den Terrassen am Ende der Prachtstrasse, direkt vor dieser gigantischen Schlucht kann ich den Hafen überblicken, hier lässt es sich sehr weit sehen.
Von hier oben aus geht es 30 Meter steil hinunter.
Mindestens.
Alte metallene Geländerpfosten sollen den Sturz in den Abgrund verhindern. Hoffentlich geht das immer gut.
Wie oft hier wohl Autos hinab gestürzt sind. Und wieviele Menschen?
Da hält man sich lieber fest.
„Eisen berühren bringt Glück.“
Tocar ferro porta sort!
Verstehe.
Von hier aus, führt ebenfalls eine mit Barcelona gleichnamige Prachtstraße quer durch die Stadt. Allerdings eine neue, eine La Rambla Nova.
Kulturell soll hier öfter so einiges los sein: Karneval, Umzüge, ständige Feuerwerke sowie diese berühmten Castells.

meisterhafte Streetart in Tarragona
meisterhafte Streetart in den Gassen und kleinen Durchgangsstrassen in Tarragona

Das sind gigantische Menschenpyramiden, die traditionell und im wahrsten Sinne des Wortes, regelmässig, mit riesigem Tamtam auf die Beine gestellt werden. Parallel zu lauten Festivals. Die Teilnehmer, sogenannte „Castellers“, sind freiwillige Bürger der Stadt, die sich in einer Art Sportverein organisieren und das ganze Jahr auf diese Turnerei hinarbeiten.

Diese Castellers, dazu gehören übrigens schon Kinder ab vier Jahren, steigen jeweils auf die Schultern der Menschen unter sich, jeweils immer höher und höher, bis irgendeine schwindelerregende Höhe erreicht wurde. Solche menschlichen Kaskaden werden dabei leicht bis zu zwanzig Menschenetagen hoch, manchmal noch höher.
Im Augenblick ist hier aber überhaupt nichts los.
Keine Pyramide, kein Fest.


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Kaum ein Mensch läuft hier herum. Es regnet sogar leicht, was hier an der spanischen Costa Daurada doch eher selten ist. Regnerisch und leicht stürmisch, den Temperaturen nach aber äußerst erträglich.
In Tarragona ist übrigens die berühmte spanische Fusion-Musikerin und Flamenco-Interpretin Carmen Paris geboren. Diese Information erhielt ich über eine Wandmalerei, ein Graffiti, eine Art Mural. Anscheinend in diesem Städtchen sehr prägend. Von StreetArt in Tarragona konnte ich auf meinen kurzen Spaziergängen durch die Altstadt so einiges sehen.
Ich hätte mir doch vielleicht lieber die Ruinen des Bürgerkrieg zerstörten Dorfes Corbera d´Ebre ansehen sollen, ein ganz besonderer Ort und historisches Erbe Kataloniens. Schade.
Vielleicht nächstes Mal.



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