Rund 500 Menschen wurden im Jahre 1924 in Hannover vermisst.
Manche Fälle konnten schnell aufgeklärt werden, nachdem ein gewisser Fritz Haarmann gefasst wurde. Der kleine, untersetzte Kurzwarenhändler gestand nach kurzer Zeit der Polizei, mehrere Knaben ermordet und zerstückelt zu haben.
Insgesamt waren es wohl mindestens 22 Jungen, die Haarmann in der Bahnhofsgegend und um den sogenannten „Schwulen Kessel“, hinter dem Café Kröpcke herum, aufgabelte.
Und es ist so bezeichnend wie erschütternd, dass diese Mordserie, immerhin fast einhundert Jahre alt, offensichtlich zu den beeindruckendsten Annalen dieser Landeshauptstadt zählt. Gibt es nichts Neueres? Keine anderen Verbrecher?

Und was ist mir diesem ehemaligen Bundeskanzler? Dem hat Hannover neulich die Ehrenbürgerschaft aberkannt. Die „Scorpions“, aktive Rentnerband (sozusagen die Stones der Stadt), haben ihre noch. Aber wen interessieren überhaupt die lokalen Söhne und Töchter, interessanter sollte doch die Stadt als solche sein.
Aber diese hier ist zweckmässig kühl. Deshalb sind süddeutsche Bundesbürger wohl auch immer fest der Meinung, dass in Hannover bereits Norddeutschland beginnt.
Wer nur zum umsteigen nach Hannover kommt, sollte auf die Uhr gucken und, wenn genug Zeit dafür da ist, sich die Füsse vertreten: Aus dem Bahnhof raus, über den Bahnhofsvorplatz am Ernst-August-Reiterstandbild vorbei und bis zur Ecke am Kröpcke. Nur mal gucken.

Zweckmässig-kühl wird es einige Etagen tiefer, in der U-Bahn.
Das Hannover überhaupt über eine Untergrundbahn verfügt, hielt ich lange Jahre für ein Gerücht und lange danach noch für ausgesprochen unerhört. Eine städtebauliche Übertreibung, wenn auch im Detail sicher gut begründet. Aber obwohl Hannover insbesondere von Hamburgern als Metropole nicht ernst genommen wird, lassen sich die Hannoveraner gelassen provinziell belächeln, drehen sich dann um und geniessen ihr Geld in noch volleren Zügen.
Denn was in Hamburg immer knapper wird, ist in Hannover ausreichend vorhanden.
Letzte Woche Schützenfest, nächste Woche Messe.

An die Expo 2000, die Milleniums-Expo, erinnern sich sogar noch einige, die damals noch gar nicht auf der Welt waren. Der „Pinken-Skandal“ mit dem Welpenprinz Ernst-August von Hannover ging in die Geschichte ein: Während des offiziellen Besuches des monegassischen Fürstenhauses erleichterte sich Ernst-August direkt am türkischen Pavillon. Erst dementierte der Adlige empört, dann kam kleinlaut das Geständnis. Darauf folgte schliesslich das Bussgeld und der völlig zerstörte Ruf des ungezogenen Ehemanns von Caroline von Monaco, bzw. von Hannover.
Dann doch lieber zurück zum Café Kröpcke: Ernst Jünger geisterte nämlich auch in Hannover herum, der deutsche Schriftsteller, der 1998 im Alter von 103 Jahren verstarb, soll über die Hälfte seines Lebens in Hannover verbracht haben.
Im Café Kröpcke, soviel ist überliefert, traf Jünger in den Zwanziger Jahren auf den Verleger Paul Steegemann.

Was kann man sonst in Hannover erleben? Mitten in der Stadt gibt es ein riesiges künstliches Schwimmbecken. Dieser Maschsee, der nichts mit Maschmeyer zu tun hat, wurde in den Zwanziger Jahren geplant und unter den Nazis als Arbeitsbeschaffungsmassnahme 1936 fertiggestellt. Deshalb die Nazikunst, ringsherum am Seeufer.
Manchmal finden sich im Maschsee, der überwiegend als Wassersportfläche innerhalb eines Naherholungsgebiet genutzt wird, auch noch Leichen oder Teile davon. Womit wir thematisch wieder bei Fritz Haarmann wären.

Auf jeden Fall verfügt Hannover über die meisten Grünflächen Deutschlands; wie man auch immer auf diese Aussage kam. Angeblich wird die Stadt deshalb als „schönste Stadt der Welt“ bezeichnet, was aber nur humorig und mit einem deutlichen Augenzwinkern gemeint sein kann. Wer in Hannover studieren muss, benötigt ein heiteres Gemüt, wer mit dem Auto durch Hannover fahren muss, starke Nerven und möglichst eine Vollkaskoversicherung.
Wer nur mit dem Zug durch Hannover kommt, womöglich nur umsteigen muss, hat Glück. Der kann sich das Reiterstandbild vor dem Hauptbahnhof ansehen.
Und wer längeren Aufenthalt verbringen muss, kann den Zoo besuchen.
Oder eben im Kröpcke ein Tässchen Kaffee trinken.

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